Johanna Henriette Hartmann (16. Februar 1762 bis 21. August 1820)

oo 26. Mai 1785 in Stuttgart
Friedrich Christoph Mayer (2. November 1762 bis 8. März 1841)

„Es ist auch eine Gottesgabe, einer Familie anzugehören und ihre Geschichte zu übersehen, die seit drei Jahrhunderten in ihrer bürgerlichen Einfachheit sich ehrlich
durchgeholfen hat.“
Im Hartmannsbuch von 1898 steht am Anfang dieser Leitspruch von Karl Base

Als Tochter des Hof- und Domänenrats Johann Georg Hartmann und seiner Gattin Juliane Friederike geb. Spittler wurde Johanna Henriette Hartmann am 16. Februar 1762 in Stuttgart geboren. Da sie das älteste Kind und zudem ein Mädchen war, hat sie mit Sicherheit auch ihre jüngeren Brüder mit betreuen müssen. Als Älteste inszenierte sie Theaterstücke für das von ihrem Bruder August gegründeten Liebhabertheater, zu denen der Hofmaler Nikolas Guibal die Kulissen malte (1725 Frankreich – 1784 Stuttgart). Auch ihr Bruder Ludwig spielte gerne mit bei den Theaterstücken. Es ist auch überliefert, dass Henriette Hartmann Goethe vorsang als er bei den Hartmanns 1779 zu Besuch war, und zwar Mignons Lied. Da war sie 17
Jahre jung!

Johanna Henriette wird auf Seite 20 des HB 1898 an vierter (fünfter) Stelle der Hartmann-Biografien genannt.

Der eigentliche Bericht über sie beginnt mit dem Namen Friedrich Christoph Mayer, geboren in Ludwigsthal bei Tuttlingen am 2. November 1762, Lic. jur., ritterschaftlicher Konsulent, später Hessischer Hofrat, vermählt mit Henriette Hartmann 26. Mai 1785, gestorben Stuttgart 8. März 1841, hat in seinem hohen Alter, fast erblindet, 1837 reichhaltige anziehende Erinnerungen aus seinem Leben diktiert, denen das Nachstehende (auszugsweise) entnommen ist:

„Mein Eintritt in das Hartmannsche Haus zu Stuttgart, nach vollendetem Studium an Ostern 1783, war von einem Eindruck begleitet, den ich nicht zu schildern vermag. Sehr würdige Eltern waren von einer einzigen Tochter, ihrem ältesten Kind und sechs Söhnen…..umgeben. Der neue Ankömmling (Mayer als Freund von August, Begründer der Stuttgarter Linie) ward höchst freundlich und gutmütig in diesen heiteren Familienkreis aufgenommen…“

Man erfährt weiter aus Mayers Aufzeichnungen, dass Ludwig (Louis) sich gerade auf seine Abreise nach Amsterdam als „Handlungslehrling“ vorbereitete (Begründer der Heidenheimer Linie) und Fritz Theologie studieren sollte und gerade „Vakanz“ vom Klosterseminar in Denkendorf hatte (Friedrich von Hartmann wurde bekanntlich aber Arzt in Göppingen, Begründer der Göppinger Linie). Heinrich (Begünder der Ludwigsburger Linie) wurde gerade konfirmiert und Wilhelm (Begründer der Backnanger Linie) und Ferdinand (Historienmaler in Dresden) gingen noch ins Gymnasium.

Mayer beschreibt ausführlich, dass Louis ein „Stammbuch“ mitnahm, in dem sich die Eltern, Geschwister und auch Mayer sich mit Sprüchen und Versen eingeschrieben hatten.
Henriette schrieb sich folgendermaßen ins Stammbuch ein:

„Gott selbst hat dir dein Loos beschieden,
Nimm’s dankbar aus der Vorsicht Hand.
Erfülle jede Pflicht zufrieden,
Die sie mit diesem Loos verband.
Sie gibt dir Munterkeit und Kräfte
Und nährt und stärkt sie väterlich.
Sie brauchen – dies ist dein Geschäfte
Und ihr Gebrauch ist Ruhm für dich.

Das beste Loos der besten Menschen sei dein Loos, mein innigst geliebter Bruder! Trennen uns gleich auf eine zeitlang Länder und Flüsse, so soll doch nichts unsere Liebe trennen, mit der ich ewig bin
Deine treue Schwester Henriette.“


Mayer weiter:
„Hartmann wies mir zur Wohnung und Arbeit ein geräumiges Zimmer an, in welchem seine reiche Bibliothek und seine große Rescriptensammlung aufgestellt waren. Diese Rescripten* sollte ich vorerst nach Materien und der Zeitfolge ordnen und in Faszikel** legen.“

Mayer fühlte sich im Hartmannschen Haus sehr wohl und
„meine liebe Heimat. Die Hartmannsche Tochter war mit mir von gleichem Alter, ja noch 3⁄4 Jahre älter! Sie war sehr musikalisch und hatte eine so liebliche weiche Stimme, dass ihr Gesang jeden Hörer aufs lieblichste berührte und sie als gute Sängerin beim Kirchengesang auf der Orgel geschätzt war. Ihre höchst freundliche, gutmütige Physiognomie, ihr ganzes Betragen, die Ehrfurcht und Liebe zu ihren Eltern, die Liebe zu ihren Brüdern, die zärtliche Art, wie sie von diesen behandelt wurde, der ganze Ton des Hauses – alles wirkte so auf mein Inneres, dass nach den ersten Monaten der stille Wunsch in mir aufkeimte, ich möchte einst so glücklich sein, die liebenswürdige Henriette zur Frau zu bekommen, und so entspann sich denn zwischen uns eine vertrauliche Freundschaft, die von beiden Seiten schon Liebe genannt werden konnte…. Diese gegenseitige Neigung konnte wohl der elterlichen Beobachtung schwerlich entgangen sein…“

Mayer hatte aber Sorgen, weil er nach seinem Studienabschluss noch keine passende „Versorgung“ gefunden hatte. So nahm ihn einmal der Hof- und Domänenrat zu dem Grafen von Degenfeld nach Cannstatt mit, der einen Hofmeister für seine beiden Söhne suchte. Aber daraus wurde nichts. So verging die Zeit bis um Ostern 1784. Da
„ergab es sich, dass ich mit meiner Freundin (Henriette) zu den Beckhschen nach Cannstatt ging; im Heimweg auf dem Kahlenstein, wo jetzt das Schloss Rosenstein steht, war ich in einer so feierlichen…. Stimmung, dass ich das Herz fasste, ….ihr meine ernstliche Liebe zu erklären und um ihre Hand zu bitten. Unsere Herzen waren vorher schon vereinigt und so erfolgte denn unter der Voraussetzung, dass ihre Eltern einwilligen werden…. ihr feierliches Jawort. Zuerst machten wir nun die gute Mutter zu unserer Vertrauten, und trug dann die Mutter es dem Vater vor, so ward das Bündnis im Stillen geschlossen….“

Während dieser glücklichen Zeit bemühte sich
„mein Schwiegervater….wie mir eine Versorgung verschafft werden könne. Ende Januar 1785 eröffnete mir Professor Reuß, dass er von dem Ritter-Kanton-Kraichgauischen Direktor von Helmstadt in Neckarbischofsheim den Auftrag erhalten habe, ihm einen neuen Konsulenten vorzuschlagen. Es sei eine Stelle, die einen fixen Gehalt von 500 Gulden (jährlich) und noch ein paar hundert Gulden Accidentien gewähre und er wolle mich vorschlagen. Ich schauderte, denn meine erste Sorge war die, dass meine künftigen Schwiegereltern eine so große Entfernung ihrer einzigen Tochter nicht zugeben würden… Ich zögerte mit meiner Antwort… Reuß aber mochte den wahren Grund meiner Weigerung vermuten und gab ein paar Tage Bedenkzeit, bis ich auch meinen Gönner, den Hofrat Hartmann, der gerade auf der Stuterei Marbach bei seinem Vater zu Besuch war, zu Rat gezogen hätte. Ich hatte nichts eiligeres zu tun, als den andern Tag auf die Alb zu reiten, um die Entscheidung meines Schicksals dort zu vernehmen. Hartmann lächelte, als ich mitten im Frost und Schnee dort ankam und ihm meine Frage vorlegte. Ich konnte gleich des andern Tags wieder zurückreiten, zu Reuß gehen, am dritten Tage nach Heilbronn abreisen und am vierten mit der Reußschen Empfehlung in Bischofsheim eintreffen.“

Direktor von Helmstadt übertrug Mayer durch die Empfehlung diese offene Stelle und kündigte an,
„dass ich schon in vier Wochen aufziehen sollte. Am andern Tag nahm ich Einsicht vom Amthaus, meiner künftigen Wohnung… und traf den jungen Schreiber Bruckmann und einen guten Freund, Ribstein, von ihm an.“ (1)

Nachdem er sein Anstellungsdekret empfangen hatte, reiste Mayer sofort wieder nach Stuttgart zurück, wurde mit offenen Armen empfangen und das Verlöbnis wurde öffentlich gemacht. Er sollte vorerst aber alleine in Bischofsheim wohnen. Seine zukünftige Frau und seine Schwiegermutter in spé begleiteten ihn aber, um die künftige Wohnung in Augenschein zu nehmen und ihm vorerst einen Junggesellenhaushalt bis zur Hochzeit einzurichten.

Die Hochzeit fand am 26. Mai 1785 in Stuttgart statt. Henriette war nun „Frau Consulentin Mayer“. Ihr Mann stellte nun auch seine Schwiegermutter seinen Eltern im Lauchertthal vor und nahm die ihm verliehenen Bürgerrechte in der Heimat seiner Frau in Begleitung seiner Schwiegereltern mit nach Bischofsheim.

„Die Verbindung mit einer dem Charakter nach so ausgesucht guten Partie gab mir in den Augen meiner Herrschaft und meiner Verwandten in Heilbronn ein recht gutes Relief und unser Ehestand war der glücklichste, den man sich denken kann. Freilich ihre zarte und feine Constitution, eine von ihrer Mutter ererbte Anlage zu Brustkrämpfen… verursachten… manche Sorgen… Von meinem Edelmann wurde ich sehr liberal behandelt, indem er mir z. B. alle Jahre um unsere Eltern in Stuttgart zu besuchen, vier Wochen Urlaub gab, die wir mit unseren Kindern sehr angenehm zubrachten. Mein Schwiegervater war mehrere Jahre Direktor des Hoftheaters, wir konnten daher mit Freibillets das Theater fleißig besuchen.“

Auch im Hartmannschen Hause gab es viel Interessantes zu hören und zu sehen, weil viele Besucher dort verkehrten, so Mayer.

Dem Ehepaar Mayer/Hartmann wurden acht Kinder geschenkt, von denen die ersten sechs in Neckarbischofsheim und die beiden letzten in Heilbronn geboren wurden.

Das tragischste Sicksal erlitt wohl der Sohn August Mayer. Er wurde am 26. Oktober 1792 in Neckarbischofsheim geboren. Seit frühester Jugend hatte er eine dichterische und musikalische Begabung und spielte Klavier. Er wurde als Jurastudent in Tübingen auf 1. September 1811 zum Militär ausgehoben. Der württembergische König Friedrich hatte eine Anzahl studierender sogenannter Honoratioren-Söhne für den „erwarteten“ (Rußland)-Feldzug Napoleons zu Soldaten bestimmt. Aus Moskau sandte August Mayer Mitte September noch Briefe in die Heimat und war zum Leutnant ernannt worden. Nach dem Rückzugsbefehl wurde August Mayer noch von Bekannten in Smolensk und im Dorf Beresina gesehen. Danach fehlt jede Spur von ihm und man ging davon aus, dass er erfroren ist. Im Juni 1813 erschien in „Der Deutsche Dichterwald“ sein Gedicht „Abschied“. Auch die ursprüngliche Melodie zu
„Ich hatt’ einen Kameraden“ stammt von August Mayer, (die heutige Melodie ist von Silcher).

Im Roman „Emilie Reinbeck“ (Stuttgaerter Linie) von Hertha Koenig (Backnanger Linie) wird erzählt, dass August Mayer die Erste Liebe der Emilie Hartmann war und sie schwer über den Verlust ihres Geliebten hinwegkam.

Johanna Henriette Mayer geborene Hartmann starb am 21. August 1820 in Heilbronn mit 57 1⁄2 Jahren. Die Consulentin erlebte nur drei Enkel, darunter Karl Friedrich Mayer 2), (1819 – 1889), obwohl noch zahlreiche Enkel, und weitere Nachkommen dazukamen. Einer davon ist Dr. phil. Tilman Krause.

*) kaiserliche Rechtsquellen zur Regelung von Rechtsfragen im Einzelfall
**) Beiakte, Heft im Archivwesen
1) Bruckmann wurde später Schulheiß von Heilbronn und Schwiegersohn. Er heiratete als Witwer am 16. Mai 1814 Auguste Mayer (1789 bis 1843). Ribstein wurde Pfarrer und ein guter Freund Mayers. Quellen: HB 1898 S. 20 – 25, HB 1913 S. 4 – 22
2) Karl Friedrich Mayer war bei der Revolution 1848 maßgebender Führer der radikalen Bewegung in Württemberg. Bekanntlich verlief diese Revolung im Sande, die Rädelsführer wurden steckbrieflich gesucht, so dass er mit Familie in die Schweiz floh. Mit seiner Familie kehrte er erst 1863 wieder nach Württemberg zurück und arbeitete in der Redaktion des demokratischen Volksblattes „Der Beobachter“. Nach 1871 wechselte er in die Politik als Abgeordneter der maßgeblich von ihm mitgegründeten demokratischen Deutsche Volkspartei (heutige FDP), zuerst in der württembergischen Kammer und später im Reichstag. Er gab das historische Festspiel „Die Weiber von Schorndorf“ 1888 heraus. Quellen: HB 1898 S. 117 – 125, HB 1913 S. 4

Zusammengestellt und vorgetragen an der Mitgliederversammlung Familienverband Hartmann e. V. am Samstag, den 19. September 2020 in Stuttgart, Auwärtermuseum.

Doris Eckle-Heinle

Anmerkung:
Damals und bis ins 20. Jahrhundert hinein, bestand das Leben einer Tochter aus gutem Hause im wesentlichen darin, zu heiraten und eine gute Hausfrau und Mutter zu werden und genoss auch diesbezügliche Ausbildungen. Deshalb findet man in den historischen Hartmannsbüchern von verheirateten Frauen fast keine eigene Biografie, sondern nur zusammen mit ihren Ehemännern. Je wichtiger und höher also die Position des Gatten war, um so mehr ist auch über die Lebensumstände der Frauen zu erfahren. Viele Eheleute hatten zahlreiche Kinder und die Ehefrauen wurden mit dem Titel ihrer Ehemänner angeredet, z. B. Frau Doktor, Frau Pfarrer, Frau Professor usw. Meistens wurde auch ein
„in“ an den Titeln angehängt, im vorliegenden Fall also: Frau Consulentin Mayer.

Luise Hartmann geb. Helfferich (1810 – 1873), war Pfarrfrau und auch als Lehrerin oder in fürsorglicher Weise tätig. Grabreden finden sich im Hartmansbuch 1898 nur über besondere Frauen, wie Wilhelmine Mayer verehelichte Köstlin (1798 – 1867), die beiden Zoeppritz-Gattinen Adelheid und Mariette geb. Hartmann oder Emilie Reinbeck und Charlotte Hartmann. Über Emilie Reinbeck gibt es sogar einen Roman. Mariette, Emilie und Charlotte waren Schwestern.

Charlotte Hartmann verehelichte Weisser (1808 bis 1871) „verheiratete sich im Jahr 1840 mit dem Kanzleidirektor des Geheimen-Rats, Weisser, der ihr drei Kinder zubrachte aus seiner ersten Ehe mit Wilhelmine Wächter“, einer Freundin Charlottes.
Sie hat die Kinder wie ihre eigenen großgezogen und war später noch im Sanitätsdienst tätig. (Quelle: HB 1898)

Auch ledige Frauen werden in den Hartmannsbüchern beschrieben (HB 1913) z. B. Sofie Hartmann (1815 – 1899, Ludwigsburger Linie). Sie hatte als ledig gebliebene Tochter ihre Eltern gepflegt und konnte sich nach deren Tod im Frauenstift zu Kirchheim aufnehmen lassen, weil ihr Vater für sie vorgesorgt hatte.

Ebenso wird Emilie Mayer (1832 bis 1894) im Hartmannsbuch 1913 beschrieben: „Ihr scharfer Verstand, ihre prickelnde Unterhaltung, die vielerlei geselligen Talente und nicht zuletzt ihr hübsches Äußere machten sie in ihrer Jugend zu einer gefeierten Persönlichkeit… Es wird wohl einer eigenartigen Sprödigkeit zuzuschreiben sein, die bei all ihren blendenden Gaben eine gewisse Unausgeglichenheit hervorrief, dass sie unverheiratet blieb.“
Sie wurde eine lustige und erfindungsreiche Tante ihrer Neffen und Nichten und hatte ein hervorragendes Talent der Nachahmung. In heutiger Zeit wäre sie wahrscheinlich eine erfolgreiche Schauspielerin geworden. Sie pflegte auch ihre Eltern und lebte nach deren Tod bei der Witwe von Ludwig Uhland bis zu deren Tod. Während sie mit einer Verwandten zusammenlebte, führte sie eine Zeit lang einem unverheirateten Grafen den Haushalt, der Professor in Marburg war. Emilie lebte auch ein Jahr lang in Amerika bei ihrer Schwester Friederike Rominger und konnte viel aus ihrem Leben erzählen.

Auguste Landerer lebte, nachdem auch ihr Vater gestorben war, als Braut von Dr. med. Gottlob Wilhelm Hartmann fast ein Jahr lang im Hartmannhaus in Stuttgart. In diese Zeit fiel auch die Erkrankung ihrer Schwiegermutter in spé, der Hofratsgattin Juliane Friederike Hartmann geb. Spittler, die sie bis zu deren Tod am 11. April 1799 gepflegt hat. Die Hochzeit fand dann am 20. Sept. 1799 in Backnang statt.

Man sieht, dass Frauen damals nie allein gelebt haben wenn sie nicht verheiratet waren. Sie versahen immer Dienste für Erziehungsaufgaben, als Haushälterin oder Pflegerin in der eigenen meist großen Familie oder bei Freunden, aber meistens ohne große Verdienstmöglichkeiten und eigene Altersversorgung.

Doris Eckle-Heinle



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